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"Ausreden lassen und Grenzen respektieren"

Benimm heute: Monika Müller-Kröker betont Bedeutung von Rücksicht und Achtsamkeit / Knigge hat nicht ausgedient

Minden (mt).
Wer im Beruf was werden möchte, sollte einen alten Schinken ausgraben, der bestimmt noch bei Oma im Bücherregal steht: Den "Knigge". Auch wenn viele Regeln ausgedient haben - das was gemeinhin als "gutes Benehmen" gilt, hat wieder Konjunktur.

Von Monika Jäger

Benehmen ist nicht Glückssache

Dabei geht es nicht um stures Befolgen vorgeformter Regeln , sondern eher um das, was früher "Herzensbildung" und heute "Achtsamkeit" heißt. Das jedenfalls ist feste Überzeugung von Monika Müller-Kröker, die Benimm zum Hauptthema ihres Berufslebens gemacht hat.

Rund eineinhalb Jahre ist es her, da wurde es der Assistentin der Melitta-Geschäftsleitung zu bunt. Wieder mal hatte jemand ihr in dem großen Betrieb die Tür unhöflich vor der Nase zugeknallt. Da schritt sie zur Tat.

"Bei Veranstaltungen mit internationalen Kunden hatte ich schon oft gesehen, wie wichtig es ist, wenn sich Menschen unterschiedlicher Nationen mit Respekt begegnen und eine gewisse Form wahren", sagt sie. Fehlenden Respekt füreinander machte sie an vielen Stellen aus: "Menschen lassen einander nicht mehr ausreden, hören einem Referenten sichtlich gelangweilt zu, lesen während des Vortrags, schreiben SMS, das Handy klingelt - das ist doch eine Missachtung der Arbeit des anderen!" Umgangsformen seien unverbindlich, fast rüde geworden.

Und mehr noch: "Menschen vergessen heutzutage nur zu gerne, dass der erste Eindruck zählt." Hände in den Hosentaschen, undeutliches Reden, Kaugummi kauen, ausladende Gestik und Mimik, Käppi auf dem Kopf - das ist vor allem unter Jugendlichen Alltag. "Aber man muss sich doch fragen: Wie wirke ich auf die anderen, welcher Schluss wird über mich gezogen!"

Und nein, nicht jeder müsse immer ein Muster an Benimm sein. Aber wer sich frage, warum er bei Menschen nicht ankomme, immer wieder bei Bewerbungen durchfalle, warum er nicht gern gesehen sei - der sollte sich Gedanken über sein Benehmen machen.
Und das gerne immer und überall. Gähnende Autofahrer zum Beispiel - ein absolutes Unding für die Benimmtrainerin. Achtlos aneinander vorbeihastende Kollegen: bitte nicht. Kaugummikauende Gesprächspartner - Nein Danke. Sie begann damals, andere im Betrieb zu fragen: "Was stört Euch am Umgang miteinander?" Hängte eine Liste aus, auf die jeder seine Meinung schreiben konnte. "Da stand all das drauf; Handys, ausreden lassen, keine Freizeitkleidung im Büro, mehr Rücksicht, zuhören."

Seit Knigge hat sich viel verändert

Müller-Kröker wurde bei der Personalabteilung vorstellig, begann mit einer Ausbildung zur Trainerin für Erwachsenenbildung. Die absolvierte sie in ihrem Urlaub. Sie bot in ihrer Firma die ersten Kurse an, arbeitete als Assistenztrainierin bei verschiedenen Etikettekursen, absolvierte Spezialausbildungen.

Und dann verabschiedete sich die jetzt 58-Jährige in Altersteilzeit und machte sich mit einem eigenen kleinen Beratungsunternehmen selbstständig. Inzwischen gibt sie Fachkurse bei unterschiedlichen Firmen, ist zudem Lehrbeauftragte der privaten Fachhochschule des Mittelstandes in Bielefeld.

Dabei macht sie immer wieder deutlich: Vieles hat sich seit den Zeiten von Knigge verändert. Besonders klar wird das bei der Rolle der Frau im Berufsleben. "Früher durfte eine Frau das Wort nicht an den Kellner richten. Heute kann die Businessfrau ganz selbstverständlich in ein Lokal einladen." Auch beim Vorstellen muss keine Dame mehr erwarten, bis sie präsentiert wird. "Das darf man in einer Businessrunde ganz selbstverständlich selbst machen."

Längst out sind zwar Knicks und Diener der Kinder bei Begrüßung Erwachsener - doch gerade im Businessbereich bleiben die Regeln der Höflichkeit und des Anstandes ein Bewertungskriterium für Jobbewerber. "Schule müsste da mehr Überzeugungsarbeit leisten", sagt Müller-Kröker. "Ein freundliches Guten Tag, Danke und Bitte, Respekt anderen gegenüber" - das sind die ersten Schritte, die sie empfiehlt. Kaugummi, Piercings und Tattoos, freier Bauchnabel: Wer ins Business will, kann sich das sparen.
Tipps: Beim Essen warten, bis alle die Speise vor sich haben, nicht den Kopf aufstützen, nicht mit vollem Mund reden - "spätestens dann, wenn man ins Berufsleben kommt wird bewusst, dass man ohne richtiges Benehmen nur aneckt."

Gute Umgangsformen kommen gut an

Auch die guten alten Regeln sind für ein flüssiges und rücksichtsvolles Miteinander bisweilen hilfreich, betont Müller-Kröker. "Es ist noch immer eine nette Geste, der Frau den Stuhl zurecht zu rücken", sagt sie. Besonders wichtig ist ihr aber, im Umgang miteinander vom vermeintlichen "Recht des Stärkeren" abzurücken - egal, ob bei Beachtung des "Reißverschluss-Verfahrens" im Straßenverkehr oder beim Tür aufhalten für Menschen, die ins Kaufhaus wollen.

"Es sind die Umgangsformen, auf die es ankommt. Das ist viel wichtiger, als das korrekte Bekanntmachen oder die richtige Reihenfolge der Begrüßung zu beherrschen."


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Dokument erstellt am 02.06.2005 um 21:20:02 Uhr
Erscheinungsdatum 02.06.2005 | Ausgabe: MT
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